Vorstandsinterview
Wir haben unsere Ziele bis 2025 fest im Blick Von Arbeitskräftemangel bis Zinserhöhung – auch 2022 war ein anspruchsvolles Jahr für die INDUS-Gruppe. Mit PARKOUR perform hat sie sich strategisch neu aufgestellt und die Weichen für die kommenden Jahre gestellt. Der INDUS-Vorstand im Interview.
2022 war ein herausforderndes Jahr. Wie bewerten Sie es im Rückblick?
Wir haben uns von den schwierigen Rahmenbedingungen rund um Corona und Krieg, Lieferkettenprobleme, Preissteigerungen und Fachkräftemangel nicht beirren lassen. Unsere Beteiligungen haben sich in Summe gut behauptet. Sie haben sich den Herausforderungen gestellt, vorausschauend für ausreichend Material gesorgt und einen Großteil der Kostensteigerungen weitergereicht. In der Holding haben wir die Krisenzeiten genutzt, um Chancen zu identifizieren und uns neu aufzustellen. Wir haben unsere Strategie geschärft und unser Portfolio auf Zukunftsthemen in der Industrietechnik fokussiert. Und wir haben entschieden, uns von den verlustreichen Serienzulieferern in der Fahrzeugtechnik zu trennen. Alles zusammen eine große Kraftanstrengung für alle Beteiligten – aber eine, die sich auf alle Fälle lohnt. Dafür ein herzliches Dankeschön an alle Mitarbeitenden in den Beteiligungen und in der Holding.
Dieses Gesamtbild finden wir auch in den Zahlen des Geschäftsjahres wieder. Die fortgeführten Geschäftsbereiche steigerten den Umsatz um mehr als 10 % auf 1,8 Mrd. EUR. Vor Wertminderungen erreichten sie eine EBIT-Marge von fast 10 %. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere: Der Umsatz der aufgegebenen Geschäftsbereiche lag bei rund 110 Mio. EUR, das Nachsteuerergebnis hier bei -123,9 Mio. EUR. Wir sehen die Folgen unserer Entscheidung, den Bereich Serienzulieferung aufzugeben – ein schmerzhafter Schritt, der sich aber in den kommenden Jahren auszahlen wird.

Rudolf Weichert
Der Kostendruck auf die Beteiligungen war groß. Wie kamen Sie damit zurecht?
2022 hat klar gezeigt: Die Beteiligungen, die entschlossen an der Optimierung der eigenen Kostenposition und zugleich der Weitergabe von Preissteigerungen gearbeitet haben, sind gut durch das Jahr gekommen. Das im Rahmen unserer strategischen Initiative „Leistung steigern“ langjährig etablierte Unterstützungsangebot zur Erlangung von Operativer Exzellenz in allen Geschäftsprozessen trägt gerade auch bei schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entscheidend dazu bei, die Profitabilität unserer Beteiligungen zu sichern. In Zeiten von notwendigen Preiserhöhungen ist es enorm wichtig, Kundenbeziehungen intensiv weiter zu pflegen, damit trotz der schwierigen Preisdiskussionen langjährig gute Partnerschaften fortbestehen. Mit zielgerichteten Seminaren und Trainings haben wir unsere Geschäftsführungen und Verkaufsleitungen im letzten Jahr aktiv dabei unterstützt, Preiserhöhungen den Kunden gegenüber nachvollziehbar zu argumentieren und auch durchzusetzen.
Getrieben durch die stark steigenden Energiekosten lag im Geschäftsjahr 2022 natürlich ein besonderer Fokus auf Energiesparinitiativen. Das zahlt gleichzeitig auch auf eines der wichtigsten Ziele unserer strategischen Initiative „Nachhaltig handeln“ ein – die Senkung der Treibhausgasemissionen unserer Gruppe. Daneben haben unsere Beteiligungen in den wertschöpfenden Prozessen auch energetische Substitutionsmöglichkeiten identifiziert, wie zum Beispiel den Ersatz von Gas durch Strom. Über unsere Nachhaltigkeits-Förderbank haben wir technische Verbesserungen unterstützt, die den Energieverbrauch in den Beteiligungen deutlich reduzieren.

Dr. Jörn Großmann
Kommen wir zurück zu Ihrem Strategie-Update: Warum war es erforderlich?
Wir erleben eine Zeit großer Umbrüche. Diese machen auch vor der Wirtschaft nicht halt. Wir haben uns deshalb intensiv mit der Frage befasst, wo unsere Stärken liegen, was wir gut können, aber auch, was wir besser machen wollen. War INDUS bisher vor allem ein breit aufgestellter Langfrist-Finanzinvestor, agiert das Unternehmen nun als Beteiligungsgesellschaft mit Fokus auf den technologieorientierten industriellen Mittelstand. Mit PARKOUR perform bauen wir unsere Stärke, die Diversifizierung, dort aus, wo wir heute schon gut sind – in der hochspezialisierten Industrietechnik in innovativen Marktnischen. Dafür stellen wir uns in den Segmenten Engineering, Infrastructure und Materials neu auf. Wir haben für uns die Zukunftsthemen definiert, die unsere Entwicklung treiben werden. Hier erhöhen wir das Tempo, sowohl bei der Entwicklung unserer Beteiligungen als auch bei weiteren Akquisitionen.

Dr. Johannes Schmidt
Sie trennen sich von den Serienzulieferern in der Fahrzeugtechnik. Welche konkreten Auswirkungen hat die Neugliederung?
Im Rahmen des Strategie-Updates haben wir entschieden, SELZER und SCHÄFER bis zum Jahresende 2023 zu verkaufen. Wir sind hier in guten Gesprächen. Damit befreien wir uns von den starken Verlusten im Automobilsektor. Als Konsequenz wurden zum Ende des Geschäftsjahres 2022 die GuV-Posten von SMA, SCHÄFER und SELZER in sogenannte aufgegebene Geschäftsbereiche umgegliedert. Die notwendigen Wertminderungen haben wir gebucht und so mit dem Jahresabschluss 2022 „reinen Tisch gemacht“.
Steigende Kapitalkosten, Wertanpassungen. Was bedeutet das für die Finanzkraft von INDUS?
Die starken Zinserhöhungen der Notenbanken weltweit haben in den vergangenen Monaten zu einem erheblichen Anstieg des Zinsniveaus geführt. Es bleibt abzuwarten, ob wir, wie aktuell erwartet, die Höchstwerte bis Mitte 2023 gesehen haben werden. Die steigenden Zinsen treffen uns durch deutlich höhere Kapitalkosten und in Folge durch Wertminderungen bei den Impairment- und Werthaltigkeitstests. Zum anderen führen die steigenden Zinsen zu einer Verteuerung neu aufgenommener Kredite. Auch vor diesem Hintergrund ist es wichtig, zu alter Ertragsstärke zurückzukehren und sehr kritisch die Entwicklung des Free Cashflow zu verfolgen. Der Free Cashflow eröffnet uns die Spielräume, auch unsere Nettoverschuldung zu reduzieren. Das ist einer der Gründe, warum wir den Free Cashflow nun auch als zusätzliche Steuerungsgröße definiert haben.
Müssen Sie ihre Beteiligungen heute auch anders führen?
Mit dem Strategie-Update haben wir das Segmentmanagement eingeführt. Kurz gesagt: Je ein Vorstand führt ab sofort eines der drei neuen Segmente. Er fokussiert die Aktivitäten der Beteiligungsunternehmen auf die Zukunftsthemen, er treibt das Wachstum organisch und anorganisch voran und sorgt für die ertrags- und wertorientierte Steuerung des Segments. Das bedeutet mehr Intensität in der Begleitung. Es geht darum, die Wachstumschancen zu nutzen.
Wird INDUS weiter über Zukäufe wachsen?
Der Erwerb von zukunftsstarken Unternehmen bleibt wichtige Wachstumsquelle für das INDUS-Portfolio. Neben Wachstumsakquisitionen auf Portfolioebene stehen Ergänzungsakquisitionen für bestehende Beteiligungen im Fokus. Ein gutes Beispiel ist hier die Akquisition der QUICK Bauprodukte GmbH als Ergänzung für unsere Beteiligung BETOMAX vom Jahresanfang 2023. Für das von mir geführte Segment Infrastructure sind Infrastruktur-Bauwerke ein wichtiges Zukunftsthema. QUICK ergänzt das Produktprogramm von BETOMAX insbesondere im Bereich Brückenbau ideal. Dadurch eröffnen sich den beiden Unternehmen neue Wachstumschancen in einem zukunftsträchtigen Marktsegment.
Für das Segment Engineering konnten wir 2022 mit HEIBER + SCHRÖDER und HELD zwei sehr gut passende Wachstumsakquisitionen abschließen. Maschinen von HEIBER + SCHRÖDER werden in automatisierten Prozessen in der Kartonage-Industrie eingesetzt. Globale Trends wie Automatisierung und Nachhaltigkeit versprechen große Wachstumspotenziale. Die HELD-Gruppe ist als Anbieter von spezialisierten Laserschneid- und Laserschweißanlagen ein anwendungsseitig breit aufgestelltes Unternehmen. Mit seiner Innnovationskraft erschließt es sich immer wieder neue Marktsegmente – so zum Beispiel die innovativen Laserschweißsysteme für die Elektrodenherstellung im Zukunftsfeld der Wasserstoff-Elektrolyse. Es freut mich besonders, dass beide neu erworbenen Unternehmen bereits 2022 trotz der hohen Abschreibungen aus der Erstkonsolidierung positive Ergebnisbeiträge erwirtschaftet haben.

Axel Meyer
Wie verlässlich bleibt bei INDUS die Dividende?
INDUS ist und bleibt eine Dividendenwert. Das heißt, dass wir rund 50 % unseres Bilanzgewinns ausschütten. Darauf können sich unsere Aktionärinnen und Aktionäre verlassen.
2022 verursachte unsere Neuaufstellung erhebliche nichtzahlungswirksame Wertanpassungen und Wertberichtigungen. Dennoch wollen wir die Aktionäre auch in einem schwierigen Jahr an der guten operativen Leistung unserer fortgeführten Geschäftsbereiche und dem dort generierten Cashflow teilhaben lassen. Wir schlagen der Hauptversammlung deshalb gemeinsam mit dem Aufsichtsrat die Zahlung einer Dividende von 0,80 EUR pro Aktie vor.
Was erwarten Sie für 2023? Was sind die großen Arbeitsfelder?
Mit unserer strategischen Neuausrichtung haben wir unsere Mittelfristziele bis 2025 fest im Blick – einen Umsatz von deutlich über 2 Mrd. EUR trotz der Verkäufe und eine EBIT-Marge von dann wieder über 10 %. Das ist nicht mehr lange hin. 2023 starten wir durch; die Stärke des INDUS-Portfolios wird wieder klar sichtbar. Es gilt, die Verkäufe der Serienzulieferer erfolgreich abzuschließen. Mit hoher Intensität werden wir mit dem Segmentmanagement die drei neuen Segmente voranbringen. Wir werden mit klarem Blick auf die definierten Zukunftsthemen auf erster und zweiter Ebene zukaufen. Hoffen wir, dass uns auch das gesamtwirtschaftliche Umfeld dafür Rückenwind geben wird.